Freihandel: Gewinne um jeden Preis?

Hinter dem Begriff „Freihandel“ verbirgt sich offenbar die Absicht multinationaler Unternehmen, künftige Gewinne langfristig abzusichern: durch mehr Handel, Investorenschutz, Nivellierung sozialer und ökologischer Standards usw.

Quelle: Global 2000 / Wien 2015
Quelle: Global 2000 / Wien 2015

Während Freihandelsabkommen derzeit in Brüssel verhandelt werden, mehren sich kritische Stimmen, die eine Abkehr vom ungezügelten Gewinn- und Renditestreben fordern, zugunsten von mehr Umweltschutz, sozialem Ausgleich und anderen Gemeinwohlzielen.

Neoklassische Dogmatik

Im Grunde geht es um klassische Finanzwirtschaft und um die Frage: Wie bilden InvestorInnen ihre Renditeerwartungen? Wie hoch sind die von Unternehmen geforderten Mindestrenditen? Die klassische Finanzwirtschaft hat darauf eine klare Antwort: Unternehmen müssen in Summe den risikofreien Zinssatz plus eine adäquate Risikoprämie erwirtschaften. Der risikofreie Zinssatz wird in einer realen Ökonomie durch den LIBOR oder EURIBOR repräsentiert und schwankt historisch zwischen Null und 3%. Die Risikoprämie muss das unternehmerische Risiko abdecken und beträgt je nach Unternehmen und Branche 3-5%. In Summe erwarten die InvestorInnen von den Unternehmen also eine Rendite zwischen 3% und 8%. Es ist sehr fraglich ob eine solche Renditeerwartung in einer begrenzten Umwelt auf Dauer realistisch ist oder ob die klassische Finanzwirtschaft nicht grundsätzlich in Frage zu stellen ist.

Renditelogik durchbrechen

Die einzige Möglichkeit, um die Logik des Gewinn- und Renditestrebens zu durchbrechen, ist eine höhere Besteuerung von Tages- und Festgeldkonten, Staatsanleihen und anderen risikofreien Anlagen. Wenn man risikofreie Anlagen höher besteuert, dann korrigieren InvestorInnen ihre Renditeerwartungen „nach unten“. So würde im Falle einer Vermögensteuer auf risikofreie Anlagen in Höhe von z. B. 3% und Jahr die von den InvestorInnen geforderte Mindestrendite ebenfalls um 3% abgesenkt. Wenn man risikofreie Anlagen mit 3% besteuern würde, dann würden in vielen Unternehmen und Branchen Investitionen lukrativ, die vielleicht nur 0-5% Rendite aber dafür einen gesellschaftlichen Mehrwert erbringen.

Eine Vermögensteuer auf risikofreie Anlagen könnte die bisherige Zinsertragsteuer ablösen. In Österreich ist dies die sog. Kapitalertragsteuer. Eine solche Steuer könnte zunächst EU-weit eingeführt werden. Mit einem großzügigen Freibetrag lässt sich diese auch sozial verträglich gestalten. Um Kapitalflucht zu vermeiden, wären parallel dazu auch Verhandlungen mit Drittstaaten erforderlich (USA, Schweiz u. a.). Eine Vermögensteuer auf risikofreie Anlagen wäre eine notwendige finanzwirtschaftliche Regulierungsmaßnahme, um eine andere, globale Investitions- und Handelspolitik zu ermöglichen, jenseits von Gewinnstreben und Freihandel.

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Beitrag zur Global Marshallplan Initiative am 16.03.2016:
Staatliche Regulierung versus Freihandel